Tag: Arabisch

  • Wilfred Thesiger – der gesegnete Sohn Londons in den Arabian Sands

    Wilfred Thesiger – der gesegnete Sohn Londons in den Arabian Sands

    Meine Ausgabe von Arabian Sands (Wilfred Thesiger, 1959) ist schon völlig abgegriffen. Vier Mal habe ich sie bereits gelesen, und immer wieder faszinieren mich die Beschreibungen dieses sehr ungewöhnlichen Briten. Als hochgebildeter Abgänger von Eliteschulen in England, hat er die westliche Lebensform verachtet und jede Möglichkeit gesucht, sich fernab zu bewegen. Dabei scheint ihn die Wüste auf der arabischen Halbinsel besonders bewegt zu haben. Zwei Mal hat er die Rub al-Khali zwischen 1946 und 1948 durchquert. In seinen Schilderungen geht er, neben ausführlichen Beschreibungen der Reiserouten, insbesondere auf die Lebensweise und sein Zusammenleben mit den Beduinen ein, mit denen er für seine gewagten Vorhaben eine Schicksalsgemeinschaft einging. Denn damals herrschte noch Krieg zwischen den Stämmen.

    “In those empty wastes I could find the peace that comes with solitude and, among the Bedus, comradeship in a hostile world.”

    Thesiger, W. (1959). Arabian Sands.

    Einer von ihnen: Mubarak bin London

    Dabei hat sich Wilfred Thesiger in einem Ausmaß assimiliert, das für einen Mann mit seinem Hintergrund außergewöhnlich wirkt. Wahrscheinlich wird er deshalb nach wie vor auf der gesamten arabischen Halbinsel verehrt, und nicht seine beiden Vorgänger, die für ihn gewissermaßen den Weg bereitet haben. Die Araber haben ihn als Mubarak bin London verewigt, das bedeutet so viel wie der “gesegnete Sohn Londons”.

    Nachtrag: It’s a men’s world – damals konnten Männer noch Männer sein. Als seine Leserin teile ich Thesigers Liebe für seine beiden Begleiter Bin Kabina und Bin Ghabaisha uneingeschränkt. Sie sind die Helden von Arabian Sands.

    Alle drei Abbildungen sind Photos von Darstellungen im Jahili Fort Museum in Al Ain, Abu Dhabi. Dort wurde ein Museum für Wilfred Thesiger alias Mubarak bin London eingerichtet.

    Literatur: Thesiger, W. (1959). Arabian Sands.

  • Wieso arabisch?

    Was hat mich angetrieben? I don’t care I love it! So viele Rechtfertigungen und gute Gründe sind notwendig, damit es für andere nachvollziehbar wird. Dabei ist es ganz einfach. Wir wählen, wovon wir uns einen Mehrwert erhoffen. Ob ergebnisorientiert oder metaphorisch. Lernen, das Unbekannte, das Alte, das Mystische, das Angefeindete und Unverstandene. Mit der Hoffnung auf Erkenntnisse für das Neue, für Wachstum, Verstehen des Bestehenden mit all seinen Unterschieden, Akzeptieren. Neues Denken bringt neues Empfinden oder neue Qualitäten desselben zum Ausdruck. Neue Welten eröffnen und sich selbst wieder als Entdecker/in fühlen, eintauchen können, mit der Naivität eines Kindes. Von ganz vorne anfangen dürfen. Für manche Bedrohung, für manche Luxus, eine zweite, dritte Chance für die eigene Ganzheit.

    Katja von einem Kalligrafen in Dubai kunstvoll auf arabisch geschrieben
    von einem Kalligraphen aus Dubai

    Annäherung über das Schöne

    Zuerst habe ich mich in die Ästhetik der Sprache verliebt. Die Kalligraphie, die Schönheit des geschriebenen Wortes, die zur Kunstform erhöht wird, und die Kombination mit dem rauen Klang, erdig und reduziert. Die Sprache an sich ist poetisch und die Poesie wirkt daher auf mich wie ihre natürliche Ausdrucksform. Das Spannendste für mich ist aber das Eindringen in eine andere Art des Denkens, die sich in der arabischen Lebenshaltung widerspiegelt.

    Eine neue Sprache eröffnet eine neue Welt

    Die arabische Sprache mit ihrer Grammatik belässt einen im Wesentlichen im Hier und Jetzt. Ohne dass es für das „Sein“ ein eigenes Wort verschwenden würde. „Es ist (einfach)“ in Bezug auf ein Objekt. Das zeitliche Geschehen spielt sich in der Gegenwart und in einer Vergangenheitsform ab, die Zukunft ist grammatikalisch möglich, aber sie wird kaum verwendet, denn wer bin ich schon, dass ich sagen kann was sein wird? Hier wird an die höhere Macht des Schicksals appelliert, diese aber auch in vollem Ausmaß akzeptiert. Inshalla! birgt gewissermaßen auch eine Demut vor dem Leben und reduziert die individuelle gestalterische Kraft des Menschen.

    Diese Haltung widerspricht unserem westlichen Machbarkeitsstreben und hat in Bezug auf unsere Ausrichtung auf Effizienz eine beeinträchtigende Wirkung. Der Planbarkeit werden auf diese Weise natürliche Grenzen gesetzt. Als gelerntes Selbstverständnis der einen, aber zum Entsetzen der anderen, der internationalen Business Community und dem wirtschaftlichen Wachstum.

    Das Beherrschen als unerreichbares Ziel, dafür die Poesie gefunden

    Einen Schatz gehoben, kostbar und in seinem Mehrwert nicht zu beziffern. Die arabische Literatur, alt und modern, ist überwältigend, reichhaltig und eröffnet mir immer wieder neue Horizonte. Noch kann ich mich ihr nur auf dem Weg der Übersetzung nähern, wenn man von bilderreichen Kinderbüchern absieht. Die kurze Erfahrung lehrt mich, meine Ziele zurückzuschrauben, aber die Ambition hoch zu halten. Anders werde ich nie ein arabisches Buch lesen oder in einen ernsthaften Dialog treten können. Womit ich eines meiner Lebensziele offengelegt habe. Wir werden sehen, Inshalla!

    Zum Hinein hören: Don’t live a half life, Gedicht von Khalil Gibran

    Beitragsbild: alte Schrifttafeln im Kalligrafie Museum in Sharjah, UAE

  • Der ungleiche Kampf der arabischen Sprache

    Lateiner des Orient

    Dieser Artikel von Qantara beschreibt aktuell, wie im Golf die Sprachkompetenz des Arabischen immer mehr zurück geht. Das gilt aus meiner Sicht nicht nur für den Golf. In allen Ländern, in denen ich arabisch lernen durfte, habe ich ähnliche Beobachtungen gemacht. Hier meine Gedanken zu den Unmöglichkeiten des Arabischen in der modernen Zeit nach Erringen meines ersten Zeugnisses:

    Ich habe die Abschluss-Examen an der Jordan University bewältigt und bin nach 2-monatigem Sprachstudium nun Besitzerin eines Zertifikates über die erfolgreiche Absolvierung von Level 1 Arabisch. Für mich ist das eine Errungenschaft, auf die ich durchaus stolz bin. Kann ich deswegen Arabisch? Natürlich nicht!

    Gnädiger Herr, hätten Sie die Güte ….

    Dazu eine kleine Ausführung: Die Arabische Sprache im Sinne des Standard-Arabisch ist die Grundlage aller gesprochenen arabischen Sprachen in den 22 Ländern der arabischen Welt. Es ist die Schriftsprache, die in dieser Form allerdings in keinem Land alltäglich gesprochen wird. Man könnte auch sagen, es ist die Gelehrtensprache, die Sprache des Koran, die für Eingeweihte blumig und altertümlich klingt. Wenn ich mir also mit meinen mühsam erworbenen Kenntnissen einige Sätze abringe, sind die Reaktionen der Bevölkerung zwischen belustigt und ungläubig, dass da jemand in Shakespear’scher Manier versucht, mit ihnen zu konversieren.

    Mein besonderes Vergnügen ist, die bereits beschriebenen Taxifahrer auf diese Weise zu beglücken. Es muss so ähnlich klingen wie: „Gnädiger Herr, hätten Sie die Güte mich mit Ihrem Gefährt auf den Weg zu bringen ….“ Deswegen habe ich parallel begonnen, ein paar Worte in Amieh, der Dialekt-Sprache der Region rund um Syrien, Palästina und Jordanien zu lernen. Man könnte es auch so beschreiben, dass ich in Italien bin und Latein lerne. Durchaus verwandt aber doch ganz anders. Dazu kommt noch, dass Standard-Arabisch, ähnlich wie Latein, unendlich kompliziert aufgebaut ist, weswegen es ja kaum jemand spricht. Um einen Satz zu formulieren, muss ich alleine für die Bildung des Verb 19 Konjugationen geistig durchspielen, da im Standard-Arabisch nicht nur zwischen Geschlechtern, Singular und Plural, sondern auch zwischen 2 und mehreren unterschieden wird. Dazu kommen noch die unterschiedlichen Zeiten wie bei uns im Deutschen. Und das ist nur ein Beispiel von mehreren Verkomplizierungen, die dazu führen, dass ich mehr denke als spreche. Mein Arabischlehrer findet, dass das bei mir sehr lustig aussieht. Er kann an meinem Gesicht und der Tiefe meiner Stirnfalte bereits ablesen, wo ich hängen geblieben bin.

    Nur 15.000 – 18.000 neue arabische Bücher jährlich *

    Viele AraberInnen haben inzwischen Schwierigkeiten, die Grammatik von Standard-Arabisch richtig anzuwenden. Das ist einer der Gründe, warum AraberInnen so wenig Gedrucktes lesen. Das sehe ich als Problem, weil es dazu führt, dass zu wenig Wissen über die eigene Kultur ebenso wie fremde Kulturen und Geschichte vorhanden ist. Intellektuelle Auseinandersetzungen werden dadurch erschwert. Aber soweit bin ich noch nicht. Ich beschränke mich derzeit noch darauf, in der Sprache des Seneca (leider ohne dessen Inhalte) auf Taxifahrer und Händler einzureden und Antworten auf Italienisch im schlimmsten sizilianischen Dialekt zurück zu bekommen. Eine interessante sprachliche Pattstellung, aber ich bin auch in China auf den Berg gekommen.

    * Die vernachlässigte Sprache aus Qantara.de
    Mein Blog Beitrag über meine schwierigen Anfänge des Arabisch Lernens

    Der Beitrag über die Fortsetzung meines Arabisch Lernens wird aus gutem Grund geheim gehalten. Ich weiß zu wenig, um die Sprache zu beherrschen aber ausreichend, um sie in all ihrer Schönheit und philosophischen Kraft zu bewundern. Ein Playdoyer über die Arabische Hochsprache und die Bedeutung ihres Erwerbes – Ff.

     

  • Arabisch lernen – schweischwei

    Ich bin an der University of Jordan am Language Center in das „Program for Non-Arabic-Speakers“ eingestiegen. Mein Aufnahmetest war rasch beendet, und ich landete ohne allzu viele Demütigungen bei den AnfängerInnen. Level 1 von 8 finde ich grundsätzlich beruhigend, klein anfangen entspricht meiner akademischen Selbsteinschätzung völlig – aber es sieht aus wie eine Lebensaufgabe!

    Wir haben Sonntag bis Mittwoch täglich fünf Stunden Unterricht, die restliche Zeit ist Selbststudium, und die haben wir bitter nötig, um dem Unterricht halbwegs folgen zu können. Ein etwas gewöhnungsbedürftiger Charakterzug der akademischen ArabischlehrerInnen ist ihre Ungeduld mit Lernenden, verbunden mit einer Geringschätzung, die individuell unterschiedlich stark ausgeprägt ist, aber keinen Zweifel offen läßt, dass man sich den Zugang zur Klasse der Wissenden hart verdienen muss. Ich kann mich auch des Eindrucks nicht verwehren, dass der Begriff der modernen Pädagogik relativ zur regionalen Zone verstanden werden muss. Aber ich bin ausreichend selbstmotiviert und konnte die verunsicherte Arabischlehrerin beruhigen, dass ich kein Problem mit meinem Alter habe, und sie deswegen auch keines haben muss. Lernen ist hier noch ein Konzept für Junge, und das endet früh im Leben, denn auch der Araber stirbt nicht mehr mit 30.

    Wir absolvierten bereits die ersten Examen. Nachdem meine letzte Prüfung der „open water diver“ Tauchkurs war, habe ich mich angestrengt. Ich zähle zu den guten Schülerinnen, wer hätte das gedacht? Es macht viel Spaß, aber es bringt genauso viel Verzweiflung und Zweifel an den eigenen Lernkapazitäten. Mein Ziel? Ich bin ja nicht verwegen und peile daher nicht alte arabische Poesie an, aber eine Zeitung lesen zu können oder mich an einer Konversation beteiligen zu können – irgendwann? Gestern habe ich mir ein arabisches Kinderbuch gekauft in der Hoffnung, darin bald die Bildunterschriften lesen zu können. Der Ausdruck dafür ist شوية شوية „schwei schwei“. “Langsam, langsam” oder “schön pomale” auf Wienerisch, das ist eines der grundlegenden Motti hier im Alltag.